Montag, 23. September 2013

Es brennt!


Als Medizinische Praxisassistentin absolvierte ich einige Reanimationskurse. Es wäre wohl für jedermann, jedefrau sinnvoll, diesen Kurs immer wieder zu repetieren. Schon ein paar Mal habe ich mich gefragt wie ich in einer Notfallsituation reagieren würde. Da gibt es so viele Menschen auf dieser Welt, irgendeinmal wird der Zeitpunkt kommen in der ich in eine Notfallsituation kommen werde. Ich glaube die meisten Menschen hätten grossen Respekt vor der Reanimation. Die Frage ist wohl immer, ob man den richtig handeln wird!

Heute sitze ich ganz gemütlich im Zug und lese einen Zeitungsartikel. Unten links steht Einiges über Ängste/ Phobien. Man soll anderen Menschen zusehen wie sie es machen, z. B bei Spinnenangst zusehen wie ein anderer Mensch sie auf der Hand hält und dabei feststellen kann, dass nichts passiert. Spannende Idee.
Im Zug folgt plötzlich eine Durchsage: Alle Ärzte, Krankenschwester und Med. Personal sollen sich an das Zugpersonal wenden. In mir geht wie ein Blitz der Erkenntnis durch mich hindurch. Im Zug ist ein Notfall. Ich fühle mich ganz klar angesprochen um da nachzusehen. Ich packe meine Sachen und sehe den Kontrolleur. Er führt mich nun durch all die Wagons, ich sas nämlich im Vordersten und der Notfall ist im hinteren Teil des Zuges. Je länger wir laufen, desto nervöser werde ich. Alle Menschen schauen mich an, weil sie genau wissen, dass ich jetzt zu diesem Notfall laufe. Aber will meine Seele überhaupt da hin? Bin ich bereit dazu, egal was da auf mich zukommt? Ich beobachte mich ganz genau, spüre meine Füsse und verbinde mich mit der Erde. Ich sage zu mir, dass ich einfach das tun kann was ich kann.

In der 1. Klasse angekommen sehe ich einen Mann am Boden und zwei Männer, welche reanimieren. Ich bin erleichtert, dass ich nicht alleine bin. Sie reanimieren perfekt und so stehe ich da und versuche die Situation zu analysieren. Was könnte ich tun? Ich könnte einen ablösen falls die Kräfte nachlassen würden. Mehr geht nicht. Dann steht plötzlich ein Mann hinter mir und er sagt, dass er Erfahrungen beim reanimieren habe. Doch auch er kann nur zuschauen. Die zwei Männer, welche den Rest der Zugfahrt, ca. 15 Minuten lang reanimieren, sind Polizisten. Ich und der Mann beobachten alles und bestätigen die gute Arbeit der Männer immer wieder mit einem Lob. Ich taste die Hand des Opfers und kann leider keinen Puls feststellen. Bei den Füssen steht noch ein Mann und ich frage nun, ob er das Opfer kennen würde. Er ist ein Kollege von ihm und wir reden über das Mitgehen mit der Ambulanz, so kann er dem Spital Auskunft über seine Personalien geben. Die Situation ist für mich sehr friedlich und ruhig wahrzunehmen. Alle machen das was zu machen ist. Ich schaue zu und bin ganz ruhig. Plötzlich kommt mir in den Sinn, dass uns ein Defibrillator jetzt weiterhelfen könnte, denn wenn er ein Kammerflimmern/Herzstillstand hat, so würde ihm wohl ein Stromschlag das Leben retten können. Ich denke auch fest an seine Angehörigen und ich frage laut nach ob ein solches Gerät im Zug existieren würde. Ein klares NEIN. So sage ich dieser Frau, welche bei der Bahn arbeitet, sie sollen bei der SBB dieses Projekt bitte in den Angriff nehmen.

Am Bahnhof ist die Sanität schon organisiert und so gilt es für mich, diese Situation nun zu verlassen, ohne zu wissen, wie es mit diesem Mann weitergeht. Ich wünsche seinem Kollegen alles alles Gute und steige aus dem Zug.

Draussen bin ich wieder ganz nervös und mein Körper und meine Seele fragen sich, was das denn eben grad war. MH? Warum dieser Zeitungsartikel und nachher schaue ich effektiv einer Situation zu, welche ich eher fürchte. Jetzt im Nachhinein empfinde ich dieses Erlebnis als äusserst positiv und werde es als solches mitnehmen können. Wer weiss wann es wieder eine ähnliche Situation geben wird! Ruhe bewahren ist das oberste Gebot und es der SBB melden.....

24.09.2013 einen Tag danach, die Bitte das Defizit schnellsmöglich zu melden:

Ich melde das Defibrillatordefizit heute telefonisch der SBB. Eine junge Frau hört mir zu und reagiert sehr positiv. Sie möchte meine Bitte unbedingt weiterleiten, schliesslich ginge es um Menschenleben. Ich bin dankbar eine so freundliche Frau angetroffen zu haben.

Einige Stunden später habe ich einen inneren Impuls. Irgendwie habe ich das Gefühl, SBB wird dieses Thema nie aufgreiffen. Ich entschliesse mich damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Doch wie komme ich an die Zeitungen? Auja ich will endlich einmal mit einem bewegenden Thema in die Zeitung und zwar mit Foto. Ich telefoniere mit der Redaktion 20 Minuten. Die Frau fragt mich kurz um welches Thema es sich handeln würde. Als ich ihr einige Worte darüber berichte meint sie ganz spontan, dass dies doch zu teuer sei. Ich reagierte dementsprechend, denn auch ein Menschenleben ist schliesslich teuer.... seelisch für die Angehörigen, finanziell für den schlechten Ruf, welche SBB droht. MH? Sie gibt mir die Mailadresse an, bei der ich die Situation schildern könne und die Redaktion würde sich dann entscheiden, ob diese Thematik aufgenommen wird. Hei ich komme mir vor als müsste ich betteln.... welch Schrott kann man in jeder Zeitung lesen und dann das! Ich sende mein Mail an drei Zeitungen und noch jetzt, spät am Abend habe ich noch nichts gehört... ich bin gespannt ob sich da jemand meldet.

25.09.2013

Keine einzige Zeitung hat sich bisher gemeldet... abwarten

30.09.2013

Jetzt ist das Chaos aber absolut und entgültig. Ihr glaubt nicht was ich mit der 20 Min. Zeitung erlebt habe. Nachdem ich per Mail noch einmal nachgefragt habe, wie es weitergehen würde, wurde ich von einem Herr per Mail gefragt wann ich tel. erreichbar wäre. Auf den gewünschten Zeitpunkt hat sich niemand gemeldet. Später schrieb er, dass er sich heute melden würde. Gestern am Sonntag schrieb mir eine Frau, sie hätte noch einige Fragen zum Vorfall, ich soll zurückrufen. Ich antwortete, dass ich heute (Montag) anrufen würde, ihr passte dies aber nicht, da sie den Text für heute geplant hätten. Mh ich habe mir da einiges anders vorgestellt. Da es ein wichtiges und grosses Thema ist, müsste man sich doch Zeit für einen Artikel nehmen können plus noch ein Foto. Ich schrieb ihr gestern klartext zurück, dass ich jetzt eine Woche gewartet hätte und jetzt sollte ich mich an meinem freien Tag, den ich in der Natur verbrachte, sofort reagieren sollte? Nein so geht das nicht. Es kann doch nicht sein, dass die Zeitung entscheidet wann mein Artikel gedruckt werden soll wenn sie erst nach einer knappen Woche reagieren? Ich schrieb den Herrn von Freitag an und teilte ihm mit, dass ich heute ab 09.00 Uhr tel. erreichbar wäre. Am Nachmittag suchte er mich, doch da war ich unterwegs. Er hinterliess eine Comboxmitteilung, dass er noch Fragen hätte, denn der Artikel wäre für Morgen geplant. Jetzt reicht es mir, es ist für mich überhaupt nicht stimmig. Ich werde ihm dann am Abend ein Mail schreiben, dachte ich mir....

Ich komme von meinem Nachmittagsbesuch heim und koche. Als das Essen fertig ist, ruft mir die Kollegin an und sagt mir ganz nüchtern, dass der Artikel online in 20Min. sei. Jetzt bebt alles in mir. Es ist eine absolute Frechheit und als ich sogar meinen Namen höre, da explodiere ich förmlich. Ich muss sofort der Zeitung anrufen, dass ist Missbrauch, das ist Verletzung der Persönlichkeit. Ich rufe an und ein anderer Herr nimmt ab. All die involvierten Angestellten sind schon weg und so muss er jetzt sein Ohr hinhalten. Er möchte die Situation schlichten und ich versuche ihm klar zu machen, dass dies unmöglich und frech sei. Ohne mein Wissen etwas zu drucken was ich noch nicht mal gelesen habe und noch mit meinem Namen.... er schlägt mir immer wieder vor ich soll den Text durchlesen und ihm Änderungen und Ergänzungen vorschlagen.
Jetzt übernimmt mein Freund das Telefon, da er indirekt bei einer Zeitung arbeitet und er bringt sehr gute Argumente. Doch dieser Herr sagt ganz klar, dass dieser Artikel nicht mehr gelöscht werden kann und das es als Leserbrief verstanden wurde. Und weil sie mich nicht erreicht haben da dachten sie, sie können es drucken... mir bleibt die Stimme weg, so so so frech und unglaublich ist das. Es bleibt uns nichts anderes übrig als den Text anzupassen und das tu ich jetzt.

Ich glaube ich sehe nicht recht.... die Argumente von SBB-Sprecher und von Nationalrätin sind zum Schreien komisch. Jetzt fordere ich einige Änderungen und ich möchte die Lösung für SBB einbringen, doch das geht nicht. Die Begründung: Die Nationalrätin habe ihre Meinung schon abgegen, da könne ich als "Med. Praxisassistentin" nicht noch meine Ansicht über SBB bringen. Jetzt bin ich aber sehr entäuscht. Es ist anscheinend nicht erlaubt die eigene Meinung deutlich werden zu lassen... auch bei der Zeitung hat alles ein System... aha definitiv läuft auf der Welt nichts mehr so wie man sich das vorstellt. Die Zeitung macht einfach was sie will. Wir Menschen liefern Themen und sie verwalten es so wie es für sie passt..... da frage ich mich schon, ob ich je wieder in die Zeitung möchte.... oje und ich habe mir das so einfach vorgestellt.

01.10.13

Mit diesem letzten Beitrag möchte ich nun die Geschichte ruhen lassen. Es war kein leichter Spaziergang mit der Zeitung. Gestern dachte ich, dass mit dem Artikel alles klar wäre. Online wurde er fast ganz nach meinem Bedürfnis angepasst.

Mein Freund war heute Morgen vor mir am Bahnhof und schon klingelt mein Telefon: Er meint, ich könnte der Zeitung wieder anrufen, denn der Druck sei abgeändert worden. Was soll ich nun denken? Ich fühle mich komplet hintergangen und verarscht. Ich möchte diesen Artikel selber sehen und so laufe ich am Bahnhof auf den 20 Minutenständer zu. Das gibt es nicht: kein einiges Exemplar mehr. Jeden Morgen hat es noch ganz viele übrig, doch heute hat sie der Wurm gefressen! Auf dem Arbeitsweg schreibe ich nun diesem Herrn, welcher mit mir den Artikel angepasst hat. Ich verlange von ihm eine schriftliche Erklärung wieso er meine wichtigsten Worte einfach weggelassen habe. Ich fragte ihn auch ob es ihm bewusst sei, dass er mit Menschen spielen würde.... seine Antwort kommt prompt: es gäbe immer zwei Versionen eines Artikels, eine online und eine in Print. Im Print hatte es nicht genügend Platz für meine Worte. Er spiele nicht mit Menschen, denn er habe mit mir eine Lösung gesucht.

Meine Antwort darauf kommt aus meinem tiefsten Innern: Er wisse ganz genau, dass es um das Prinzip gehe wenn er einen Artikel ändert, ohne das Wissen darüber. Er soll doch die Menschen über dies alles aufklären oder ob wir ihn als Patienten auch so behandeln sollten? Ich erkläre ihm, dass er nicht nach Lösungen gesucht habe, sondern er mich besänftigen wollte. Doch es kam weder eine Entschuldigung noch rechtliche Grundsätze, was eine Zeitung darf und was nicht.

Zuletzt schrieb ich, dass eine qualitativ gute Arbeit nur entstehen könne, wenn das Herz mit dabei sei... darauf kam kein Mail mehr zurück....

Zum Schluss darf ich jedoch zugeben, dass ich mein Ziel auf steinigem Wege doch noch erreicht habe: das Thema kam ganz gross in einer Zeitung und es bewegte viel... über 150 Onlinekommentare; was will man mehr...

Freitag, 18.10.13

Gestern durfte ich eine Führung durch die Galexisfirma miterleben. Sie verkaufen dort auch verschiedene Defibrillatoren-Modelle. Ich habe unseren Führer auf diese Geschichte mit der SBB aufmerksam gemacht und er meinte ganz klar und streng, dass niemals ein Defibrillator im Zug angewendet werden dürfe.... Grund: wegen den Stromleitungen... dies könne gefährlich werden. Also muss der Anwendungsort bei einem Notfall sorgfältig geplant werden.... man hat ja sonst nix zu tun.... ich vermute, dass nirgends auf diesem Gerät diese Gefahr signalisiert ist, sonst hätte die Recherche der Zeitung diese äusserst wichtige Information doch bestimmt mitbekommen...mh.. Also liebe Rettende, passt bloss auf wo ihr diese Geräte einsetzt. 

Nadine